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25.04.2021

„Cervo-Flora“ – Abwurf­stangen im Blütenflor

Ein Ausflug mit Burkhard Stöcker in den blühenden Frühlingswald

Waldlichtung im Frühling mit einem Meer von Märzenbechern
Foto: Burkhard Stöcker
Abwurf­stange in einem Teppich von Märzenbechern

Zwei Erschei­nungen sind es die für mich seit den frühesten Kindheits­tagen den Frühling einläuten: der Geweihabwurf der Hirsche und die Blüte der Märzenbecher.

Wenn auch die ganz alten Hirsche noch in den Febru­ar­schnee ihre Kopfzier werfen, so fallen doch die meisten Geweihe mitten hinein in die blühende Pracht der Märzen­be­cherzeit, in die Busch­wind­rös­chen­blüte oder den rötlichen-weissen Blütenflor des Lerchen­sporns. Und so wollte es auch schon mancher Zufall, daß ich die ein oder andere Geweih­stange inmitten blühender Frühlings­wälder fand.

Die meisten unserer heimi­schen Frühblüher gehören in die Gruppe der sogenannten Geophyten. Diese schützen sich sowohl gegen winter­liche Kälte, als auch gegen sommer­liche Trockenheit durch ausschließlich unter der Erde liegende Überdaue­rungs­organe, oft in Form von Zwiebeln. Sie benötigen zum Keimen und Fruchten nur sehr geringe Frühjahrs­tem­pe­ra­turen und durch­laufen ihren gesamten Entwick­lungs­zyklus vor dem Laubau­strieb der Bäume. Zu einem späteren Zeitpunkt würde der Licht­einfall unter den vollbe­laubten Bäumen für ein Wachstum der Kraut­pflanzen auch kaum mehr ausreichen.

Die großen Teppiche so bekannter Frühjahrs­blüher wie der Märzen­becher oder des Busch­wind­rös­chens sind nach wenigen Wochen wieder zur Gänze verschwunden. Der Waldboden liegt dann oft scheinbar vegeta­ti­onslos im tiefen Schatten der belaubten Bäume.

Die Geophyten sind jedoch aus jageri­scher Sicht deutlich mehr als nur „Abwurf­stan­gen­ku­lisse“: nach Studien von Klötzli aus der Schweiz sind Geophyten­tep­piche regel­rechte „Frühlings­nasch­zentren“ fürs Rehwild. Viele Arten gehören in die Gruppe der eiweiß­reichen Kräuter und sind nach dem Winter die ersten energie­reichen Nahrungs­pflanzen unserer Rehe.

Die meisten Geophyten wachsen in ausge­prägten Flecken­be­ständen zwischen denen der Waldboden oft flächig vegeta­ti­onsfrei bleibt. Dadurch, daß Rehe von einem Vegeta­ti­ons­flecken zum anderen wandern trans­por­tieren sie oft Samen der Geophyten über bisher kahlen Waldboden. Sie tragen dadurch zur Aus- und Verbreitung der Arten bei.

Die meisten der heimi­schen Geophyten werden jedoch durch Ameisen verbreitet. Auch die kleinen, meist staaten­bil­denden Insekten leisten damit einen wesent­lichen Beitrag zur Schalen­wild­äsung im Wald!

Zu den einzelnen Arten

Foto: Logga­Wiggler

Gelbes Busch­wind­röschen (Anemone ranuncoloides)

Deutlich seltener als die weiße Schwes­terart und nicht im atlan­ti­schen Westen verbreitet. Blüht zur gleichen Zeit wie das Busch­wind­röschen, kommt aber vor allem in feuchten Au- und Laubwäldern vor. Fehlt in vielen Regionen des atlan­tisch geprägten Nordwestdeutschland.

Foto: Kathy2408

Lerchen­sporn (Corydalis spec.)

Der Name kommt von der wie Lerchen­zehen geformten Blüte. Einer der schönsten Frühjahrs­blüher, der in mehreren Arten vor allem in reichen Laubwäldern vorkommt.

Foto: Burkhard Stöcker

Leber­blümchen (Hepatica nobilis)

Vor allem verbreitet auf sommer­warmen, lehmigen Kalkböden. Kommt vor allem in vielen Bergre­gionen und in Nordost­deutschland vor. Fehlt in weiten Teilen des Westens und in den Ebenen.

Foto: hbieser

Märzen­becher, Knoten­blume (Leucojum vernum)

Blüht in Au- und Schlucht­wäldern auf nährstoff­reichen Böden. In Deutschland gefährdete Art, die jedoch in Thüringen noch Bestände mit zum Teil über 1 Millioen blühenden Exemplaren bildet. Kommt in der norddeut­schen Tiefebene nur sehr vereinzelt vor. (Bild: s.o.)

Foto: WFranz

Busch­wind­röschen (Anemone nemorosa)

Der typische, häufigste Frühlings­blüher – das Erscheinen der Busch­wind­röschen markiert im Blühka­lender des Jahres den sogenannten Erstfrühling. Sie blühen auf verschie­densten Stand­orten und zeigen dort Frische- und Nährstoff­reichtum an. Sie ist im ganzen Land von der dänischen Grenze bis zu den Alpen verbreitet und fehlt nur in waldfreien intensiv genutzten Agrar­land­schaften. (Bild: s.o.)

Foto: György Károly Tóth

Schup­penwurz (Lathraea squamaria)

Ein fast chlor­phyll­freier Parasit, der sich von den Nährstoffen in den Wurzeln verschie­denster Gehölze ernährt (Hasel, Erle, Pappel, Weide). Meist in reicheren Laubwäldern zu finden. Fehlt in vielen trockenen Regionen Ostdeutsch­lands und in den meisten Regionen des Flachlandes.

Foto: Pezibear

Schar­bocks­kraut (Ranun­culus ficaria)

Wurde früher gegen Scharbock = Skorbut einge­setzt. Einer der häufigsten Frühjahrs­blüher, in krautreichen Laubwäldern auf meist tiefgrün­digen Lehmböden. Im ganzen Lande ähnlich wie Busch­wind­röschen verbreitet.

Foto: Hans Braxmeier

Einbeere (Paris quadrifolia)

Unschein­barer Frühblüher, der aber auf nährstoff­reichen Stand­orten bis in die Hochlagen der Gebirge steigt (bis 1870m). Fehlt in Deutschland nur in waldfreien Räumen und in den Tocken­ge­bieten des Ostens. 

Foto: Gerhard Gellinger

Hohe Schlüs­sel­blume (Primula elatior)

Der Gattungsname kommt von der mittel­al­ter­lichen Wortschöpfung „Primula veris“ = „erste (Blume) des Frühlings“. Gebräuch­liche volks­tüm­liche Namen wie Schlüs­sel­blume oder Himmels­schlüssel verdanken ihre Herkunft der Ähnlichkeit mit altger­ma­ni­schen Schlüsseln.

Burkhard Stöcker

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