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29.12.2021

Das Geweih als „Jagd-Öko-Botschafter“

Mein stärkstes Geweih (ungerader Zwanzig Ender, abnormer Dreikro­nen­hirsch) hing viele Jahre in der Küche einer Wohnge­mein­schaft, in der ich etliche Jahre gelebt habe. Dieses Rothirsch­geweih wurde jahres­zei­ten­ty­pisch behängt und geschmückt, mal mit Oster­eiern, mal diente es auch als „Adventskal-Ender“ – aufgrund der dazu fehlenden vier Enden mussten jedoch einige Geweih­sprossen mehrfach beschenkt werden.

Es befanden sich jedoch ständig wahlweise bunte Becher, Trocken­tücher oder auch gerade mal aktuelle Hinweise, Artikel oder Flyer am Geweih – es diente also als Geschenkbox, Regal, Wäsche­ständer und Pinwand. Jedem zweiten Leser sträuben sich nun wahrscheinlich vor Unmut die Decken­haare und etliche Jäger, die damals die Küche betraten, fanden diese Geweih­nutzung auch durchaus gewöhnungsbedürftig. 

Geweih­bot­schaft für Vegetarier

Fast alle Nicht­jäger (und die waren in unserer damaligen „Teilve­ge­tarier- WG“ definitiv die Mehrheit) reagierten jedoch auf die hier skizzierte Nutzung des Geweihes ausge­sprochen überrascht und erfreut.  Durch diese praktische Anwendung und die Einbindung des Geweihes in die Alltäg­lichkeit des Küchen­ge­schäftes entwi­ckelte sich vermutlich doch eine ganz andere Offenheit gegenüber dem Thema Jagd und Trophäe. Das Geweih wurde nicht mehr nur mit sakralem Abstand ehrfurchtsvoll betrachtet, sondern hatte ganz prakti­schen Nutzwert. So wie die Geweihe bei unseren Altvor­deren, den aller praktischsten Wert hatten: unzählige Nutzge­gen­stände wurden früher aus Geweihen gefertigt und auch heute noch gibt es Kräuter­hexen und Kräuter­kundige die ausschließlich mit Geweihen und Gewei­henden Wurzeln und Pflanzen ausgraben – das Metall „zerschneide das Band mit der Erde“.

Gesprächs­ein­stieg Küchengeweih

Und so war auch das Küchen-Geweih als Symbol für den Hirsch, der dann zuweilen unter dem Geweih auch zubereitet und verspeist wurde, häufig Anstoß zu Gespräch und Diskussion: „So ein Geweih kann ja auch richtig praktisch sein“ – „Sieht mit den Trocken­tü­chern total schick-bunt aus“ – „Nimm doch mal das Tuch da weg, ich seh das Geweih ja gar nicht richtig“ – „Ich hätte gern den Becher von dem einen Ding da, äh wie heißen die eigentlich...?“ – „Da hängt ja ein Antijagd­flyer am Hirsch­geweih, wie geht das denn zusammen?“ – „Wandert der Rest von dem Ding da hier jetzt gerade frisch durch die Töpfe…?“ – „Bei uns hängen die Trocken­tücher immer irgendwie stillos irgendwo in der Küche rum – hast Du nicht noch so´n Ding über?“

Mit Geweih zum Jagd-Marketing…

So oder ähnlich klangen viele Jahre die Einstiegs­se­quenzen für die „Trophäen-Jagd-Gespräche aus der Küche“ und es entspann sich daraus schon so manche klein­räumige Marketing-Initiative pro Jagd! 

Das Geweih als „Küchen­utensil“ ist gewiss eine Kleinigkeit – doch es ist eine Kleinigkeit, die einer­seits offenbar ein wenig Anstoß nahm (bei einigen Jägern!) anderer­seits großen Anstoß gab (beim Rest der Küchengäste!). 

Und wenn der Blickfang des Geweihes in diesen beson­deren „Kontext der prakti­schen Küchen­nutzung gestellt“ Nicht­jäger oder auch Antijäger wieder ein wenig für die Jagd öffnet ist damit unserem Handwerk vielleicht mehr gedient als durch das anerken­nende Schul­ter­klopfen (oder den Neid?!) der loden­grünen Kollegen im Umfeld trophä­en­be­la­dener Wohnstuben?

Die Jagd als Tat – für Topf und Trophäe

Ich bin Erleb­nis­jäger in erster Linie: Einzu­tauchen in die Natur, mich vertraut machen mit ihren Gebärden um aus diesem sich Einfinden heraus freudig, effektiv und erfolg­reich zu jagen. 

Dann bin ich ein Fleisch- und Leder­jäger: Kein sinni­geres oder nützli­cheres Unter­fangen als aus der Freiheit der Landschaft heraus wildle­bende Tiere zu entnehmen um mit ihnen, ihrem Fleisch, Leder, Geweih und Co. mein Dasein zu bereichern. 

Und ich bin „Trophä­en­jäger“: Ich finde es klasse starke Hirsche zu jagen, mit wachsten Sinnen das Revier zu durch­streifen und jedes kleinste Anzeichen, jeden leisesten Hinweis zu hinter­fragen – lernen „zu denken wie ein alter Hirsch“. 

Und wenn er dann erlegt ist kann dieser Hirsch mit Geweih, Fleisch und Leder so ein vielsei­tiger und vielschich­tiger Botschafter sein. 

Er kann Trophäe an der Wand sein, Erinne­rungs­stück für erfül­lendes Jagen – aber er kann auch viel mehr sein als nur das.

Burkhard Stöcker

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