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Foto: Burkhard Stöcker
28.12.2020

Der Wolf oder: Der beschwer­liche Weg von der „Heiligen Kuh“ zum „normalen Wildtier“

Wölfe sind unglaublich schöne Tier. Meine erste Wolfs­be­gegnung in Mittel­europa tendierte stark zum Kitsch: Ich zog gerade ein erlegtes Schmalreh von der Wiese, da steht er 100m hinter mir im nebeligen Dämmer­licht am Waldrand und schaut mir neugierig hinterher. Als ich seinen Blicken offenbar entschwunden bin, ihn aber durch den Waldrand wohl noch sehen kann, trabt er in den lichten Nebel der Wiese hinaus und fängt an zu jagen…Wühlmäuse…erfolgreich! Nach einer Viertel­stunde verschwindet er lautlos wieder im Wald.

Der Natur­schutz hat ihn jahrzehn­telang herbei­ge­wünscht, herbei­ge­sehnt. Und als dann das erste Wolfspaar in Sachsen „kleine Wölfchen zur Welt brachte“ orakelte der damalige sächsische Umwelt­mi­nister, dass „dies ja wohl kein Zufall sei, den schließlich sei Sachsens Natur halt noch in Ordnung“. Dass die Wölfe zur Erst-Ansiedlung damals eine der ödesten, arten ärmsten „Kiefern-Plantagen-Regionen“ der Republik wählten (Teile der Lausitz) fand dabei keine Erwähnung.

DIE „Tier-Ikone“ des Naturschutzes

Die aktuell größte Tier-Ikone des deutschen Natur­schutzes muss ständig als „Symbol für Wildnis“ herhalten. Dabei ist der Wolf nicht einmal als ein „Indikator für naturnahe Landschaft“ tauglich. Er ist ein fleisch­licher Alles­fresser, der praktisch in jeder Landschaft leben kann: Steppe, Agrar­steppe, Wald, Holzplantage, Gebirge, Stadt.

Der Wolf als „Verfechter“ der Massentierhaltung

Wäre unsere Landschaft derge­stalt wie sich viele Tierfreunde, Tierschützer, Natur­freunde, Öko-Landwirte (ja nahezu das gesamte Wahlvolk) das so vorstellen: Überall glücklich im Freiland gehaltene Schweine, Rinder, Ziegen, Schafe und weiteres Klein­getier, hätte der Wolf sich niemals bis auf die heutige Präsenz entwi­ckelt. Viel früher hätten ihn jene zahlreichen Freiland-Halter (jener bis dato glück­lichen, unbehel­ligten Beute­tiere) in die Schranken gewiesen bzw. Kraft ihrer gewich­tigen politi­schen Stimme dafür gesorgt, dass er entspre­chend „gemanagt“ worden wäre. 

Aber da Wölfe keinen Mais fressen, kaum Biogas­an­lagen anknabbern, sich nicht an Windräder ketten oder vollauf-kaser­nierte Hausschweine, Rinder oder Hühner in ihren vollkli­ma­ti­sierten Ställen behel­ligen – zuckt die indus­trielle Landwirt­schaft der Neuzeit beim Thema Wolf nur gelang­weilt mit den Schultern. Und die paar „Freiland-Öko-Tierhal­tungs-Freaks“ mit ihren paar Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen (zuweilen auch gefähr­deten alten Nutztier­rassen), dieje­nigen also, die mit Tieren Haltungs­formen prakti­zieren, die ihnen zur Ehre gereichen (den Tieren, wie den Haltern) – sind die geknif­fenen jener „flächigen wölfi­schen Freilandhaltungsform“.

Der wolfs­si­chere Zaun

Wenn man sich anschauen will wie bspw. ein wirklich wolfsi­cherer Zaun aussieht – gehen Sie in einen Wildpark und schauen sich die drei Meter hohen elektro­ver­stärkten Gebilde an, die die Wölfe dort an ihrem sehnsüch­tigen Freiheits­drang nachhaltig hindern.

Wenn wir so im Freiland zu haltende Haustiere schützen wollen, können wir sie auch gleich genauso gut „agrar­in­dus­triell-vollka­ser­nieren“ wie das konven­tionell gehaltene „Haustier-Vieh-Heer“.

Ich möchte nicht in einer Landschaft leben, aus der die Haustiere weitgehend verbannt sind und in der der Wolf „vollum­fänglich gehät­schelt“ wird – sondern in einer Landschaft in der Haustiere präsent sind und dem Wolf klarge­macht wird, dass er jene Haustiere zu meiden hat. Letztlich zum „Akzeptanz-Wohl“ der Art Wolf, zum Wohl der Haustiere und (nicht zuletzt) auch zu meinem Wohl.

„Liebe“ schützt nicht vor „Management“

Ich liebe Hirsche, Rehe und Wildschweine und mich faszi­nieren Wölfe. Das sind alles Wildtiere über deren grund­sätz­liches Lebens­recht wir nicht disku­tieren müssen! Aber Hirsche und Rehe fressen an den Wäldern herum, Wildschweine am Mais und anderen leckeren Früchten des Feldes und Wölfe nun einmal an schmack­haften wehrlosen Haustieren. Und weil dies so ist, kommen wir nicht umhin in unserer genutzten Kultur­land­schaft die großen Tiere ein bisschen zu managen – dies erfordert ganz schlicht und einfach die sogenannte „Landes­kultur“. Sprich: Die Präsenz des in der Landschaft wirtschaf­tenden, arbei­tenden, ebenfalls „von den Früchten der Natur“ lebenden Menschen!

Der Wolf ist keine gefährdete Tierart!

Der Wolf ist weder weltweit noch eine bei uns gefährdete Tierart – im Gegenteil: Es geht ihm blendend! Und es wird jetzt endlich Zeit, dass wir ihn so behandeln, dass sein Dasein mit den „Erfor­der­nissen der Landes­kultur“ in Einklang gebracht wird – so wie bei allen anderen großen, ungefähr­deten Wildtieren auch!

Burkhard Stöcker

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