Aktuelles
23.03.2020

Hecken, Hecken, Hecken!

Foto: Burkhard Stöcker
So sieht eine reiche Kultur­land­schaft aus in der zu leben eine Lust ist.

Mecklenburg-Vorpommern ist ungemein reich an Natur­schätzen: Natio­nal­parke, Biosphä­ren­re­servate, Natur­parke und Natur­schutz­ge­biete, Seen, Wälder, Moore und Meer. Der Terminus des „schönsten“ oder auch „natur­reichsten“ Bundes­landes hat eine gewisse Berech­tigung und kurbelte ja auch in den vergan­genen Jahren den Tourismus mächtig an.

Drama­ti­scher Hecken-Rückgang im letzten Jahrhundert! 

Doch den ohne Zweifel vorhan­denen Natur­perlen stehen großflä­chige ausge­räumte Agrar­land­schaften gegenüber. Ein Großteil jener riesigen Schläge ist aber erst im Rahmen der landwirt­schaft­lichen Kollek­ti­vierung und damit Zusam­men­legung der Flächen in den sechziger Jahren entstanden. Die „bewirt­schaf­tungs­tech­ni­schen Gründe“ der modernen Landwirt­schaft (Großma­schinen, Bereg­nungs­an­lagen, Flugzeug­düngung) verstärkten diesen Trend zu extremen Schlag­größen und führten zusätzlich zur weiteren Besei­tigung von Hecken und Gehölzen in der freien Landschaft.

Für einige landwirt­schaft­liche Produk­ti­ons­ge­nos­sen­schaften wurden in den sechziger Jahren sogar Konzepte zur „Flurge­hölz­re­du­zierung“ erarbeitet – eine für uns heutzutage geradezu unvor­stellbare „histo­rische Zielsetzung“!

Letztlich führte dies dazu das bspw. im Bezirk Rostock die durch­schnitt­liche Schlag­größe Anfang der neunziger Jahre bei 77 (!) ha lag – ein Wert  der sich gewiss auf zahlreiche andere Landes­teile übertragen läßt.  Wir finden daher heute in MV nur sehr partiell noch wirklich hecken­reiche Landschaften.

Dieser Trend zur Landschafts­aus­räumung ist jedoch keines­falls „MV spezi­fisch“. Fast überall in Europa sind Hecken­struk­turen im Verlaufe er letzten hundert Jahre drama­tisch zurückgegangen.

Der Rückgang der Hecken wurde exempla­risch für West Mecklenburg durch eine Studie des leider jüngst verstor­benen Dr. Uwe Lentschow belegt: Dort gingen die Feldhe­cken­be­stände zwischen 1900 und 1991 um 66% zurück. Besonders hoch waren die Verluste zwischen 1965 und 1991: von ursprünglich vorhan­denen 6168km Hecken sind in diesen 26 Jahren 3626km verloren gegangen, also weit über 50%. Ähnlich wie in vielen anderen Teilen Mittel­eu­ropas verlor auch unser Bundesland im Verlaufe der letzten hundert Jahr ca. 2/3 seines Heckenbestandes! 

Foto: Burkhard Stöcker
Es ist sinnig neben zahlreichen Sträu­chern auch einzelne Bäume in die Hecke zu pflanzen.

In weiten Landes­teilen lagen die Hecken­dichten daher Anfang der neunziger Jahre bei unter 250m pro 100ha Offenland. Und nur ganz wenige Räume (überwiegend in West Mecklenburg) besassen Hecken­längen von 1 bis über 2km pro 100ha Offenland. Trotz lokaler Bemühungen dürfte sich an dieser Situation landesweit in den vergan­genen dreissig Jahre nicht viel geändert haben. 

Vor allem in einem so waldarmen Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern fällt dies besonders stark ins Gewicht: mit einem Waldanteil von 24% liegt es im bundes­weiten Vergleich auf dem zweit­letzten Platz – und wird nur von Schleswig-Holstein mit 10% „übertroffen“.

Eine „Gehölz­an­rei­cherung“ unseres Landes, ob als Wald oder als Hecke oder Feldgehölz, muß daher Ziel einer zukunfts­ori­en­tierten Landschafts­planung sein.

Hecken stellen Forsten zuweilen ökolo­gisch in den Schatten!

Bestehen Hecken aus zahlreichen unter­schied­lichen heimi­schen (auch einigen alten durch­ge­wach­senen!) Baum- und Strauch­arten und weisen sie zudem noch arten­reiche Kräuter- und Grassäume auf – lassen Sie in ihrer ökolo­gi­schen Wertigkeit viele „Wirtschafts­wald­öko­systeme“ hinter sich. Und je größer die Acker­schläge und je monotoner die Landschaften – umso notwen­diger und umso berei­chernder wirken sich Hecken aus!

Foto: Burkhard Stöcker
So könnte die Neuan­pflanzung in hundert Jahren aussehen – eine Hecke die neben zahlreichsten Funktionen sogar Rotwild­einstand sein könnte.

Hecken dienten Zwecken!

Die Motivation Hecken anzulegen waren früher vielfältig: Sie dienten als Wehran­lagen, Abgrenzung von Grund­stücken, lebende Zäune für Vieh, zur Brenn- und Bauholz­ge­winnung und als Wind- und Boden­schutz. Viele Gehölze und Kräuter fanden Verwendung in Küche, Haus und Hof – von denen viele heutzutage weitgehend in Verges­senheit geraten sind! 

„Die letzte Ernte hält der Wind“

Die beiden letzten Sommer mit ihrer extremen Dürre haben dafür gesorgt daß zahlreiche Böden extrem ausge­trocknet sind. Trockene Böden sind, besonders wenn sie hohe Feinsand- oder Schluf­f­an­teile haben, extrem gefährdet gegenüber Erosion. Wieviele tausend Tonnen wertvolle Acker­krumme ausge­trocknete nordost­deutsche Böden in den beiden vergan­genen Jahren durch Winder­osion verloren haben kann nur grob geschätzt werden. Da Boden­ver­luste unwider­bringlich sind und mit ausge­trock­neten Böden auch in den kommenden Jahren immer wieder zu rechnen ist – ist die Anlage von Hecken als „Windbe­ru­higer“ auch ein schlichtes agrar­wirt­schaft­liches Gebot der Stunde. Ohne Boden keine nachhaltige Landwirtschaft!

Hecken zum Nulltarif!

Foto: Burkhard Stöcker
Reich struk­tu­riert und klein­räumig gekammert – hier begegnen einem Überra­schungen auf Schritt und Tritt.

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es prinzi­piell zwei Förder­mög­lich­keiten für die Neuanlage von Hecken. Einmal über die Landschafts­pfle­ge­richt­linie (Anträge über die jeweils räumlich zustän­digen Landschafts­pfle­ge­ver­bände) oder über die Naturschutzförderrichtlinie. 

Es bietet sich hierdurch die Möglichkeit die Neuanlage von Hecken bis zu 100% (!) fördern zu lassen. Hilfe­stellung bei Anträgen und Umsetzung  bieten entweder die Landschafts­pfle­ge­ver­bände der Region oder die zustän­digen Unteren Natur­schutz­be­hörden bei den Landkreisen.

Wesent­liche Voraus­setzung für eine Förderung ist, daß sowohl der Landeigen­tümer als auch der aktuelle Pächter dem Vorhaben zustimmen. Die Förde­rungen beziehen sich auf alle notwen­digen und kosten­re­le­vanten Vorgänge wie bspw. Boden­vor­be­reitung, Pflan­zenkauf, Pflanzung, Zaunbau, Freischneiden der Pflanzen im ersten Standjahr u.ä.

Der Auftrag muß von einem Unter­nehmer ausge­führt werden – an Privat­leute werden keine Auszah­lungen vorgenommen.

Auch „lineare Energieholzanlage“

Bei der Neuanlage von Hecken darf diese heute (wenn auch vielleicht nicht in erster Linie…) aber durchaus auch als „lineare Energie­holz­plantage“ betrachtet werden. Es können in die Hecke (falls das Gesamt­vo­lumen ausreicht) auch einige schnell­wach­sende heimische Baumarten mit einge­bracht werden wie bspw. die Birke. Werden Pflege­ein­giffe in die Hecke nötig (was höchstens alle zehn-fünfzehn Jahre der Fall ist) sind zahlreiche Gehölze schon zu soliden „Brenn­holz­di­men­sionen“ heran­ge­wachsen. Damit könnten dann auch gewiss Brenn­holz­freunde für die notwen­digen Pflege­ein­sätze gewonnen werden!

Zentrale Aufgabe der Landschaftsentwicklung

Riesige praktisch struk­tur­freie Schläge von manchmal 100ha und mehr ökolo­gisch mit Hecken aufzu­werten gehört zu den zentralen Aufgaben in der freien Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Dies ist ein wesent­licher Beitrag zur Biodi­ver­sität, zum Klima­schutz, zur Ertrags­si­cherrung in der Landwirt­schaft und nicht zuletzt zur Landschafts­äs­thetik und unser aller Lebensqualität! 

Burkhard Stöcker

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