Hecken, Hecken, Hecken!
Mecklenburg-Vorpommern ist ungemein reich an Naturschätzen: Nationalparke, Biosphärenreservate, Naturparke und Naturschutzgebiete, Seen, Wälder, Moore und Meer. Der Terminus des „schönsten“ oder auch „naturreichsten“ Bundeslandes hat eine gewisse Berechtigung und kurbelte ja auch in den vergangenen Jahren den Tourismus mächtig an.
Dramatischer Hecken-Rückgang im letzten Jahrhundert!
Doch den ohne Zweifel vorhandenen Naturperlen stehen großflächige ausgeräumte Agrarlandschaften gegenüber. Ein Großteil jener riesigen Schläge ist aber erst im Rahmen der landwirtschaftlichen Kollektivierung und damit Zusammenlegung der Flächen in den sechziger Jahren entstanden. Die „bewirtschaftungstechnischen Gründe“ der modernen Landwirtschaft (Großmaschinen, Beregnungsanlagen, Flugzeugdüngung) verstärkten diesen Trend zu extremen Schlaggrößen und führten zusätzlich zur weiteren Beseitigung von Hecken und Gehölzen in der freien Landschaft.
Für einige landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften wurden in den sechziger Jahren sogar Konzepte zur „Flurgehölzreduzierung“ erarbeitet – eine für uns heutzutage geradezu unvorstellbare „historische Zielsetzung“!
Letztlich führte dies dazu das bspw. im Bezirk Rostock die durchschnittliche Schlaggröße Anfang der neunziger Jahre bei 77 (!) ha lag – ein Wert der sich gewiss auf zahlreiche andere Landesteile übertragen läßt. Wir finden daher heute in MV nur sehr partiell noch wirklich heckenreiche Landschaften.
Dieser Trend zur Landschaftsausräumung ist jedoch keinesfalls „MV spezifisch“. Fast überall in Europa sind Heckenstrukturen im Verlaufe er letzten hundert Jahre dramatisch zurückgegangen.
Der Rückgang der Hecken wurde exemplarisch für West Mecklenburg durch eine Studie des leider jüngst verstorbenen Dr. Uwe Lentschow belegt: Dort gingen die Feldheckenbestände zwischen 1900 und 1991 um 66% zurück. Besonders hoch waren die Verluste zwischen 1965 und 1991: von ursprünglich vorhandenen 6168km Hecken sind in diesen 26 Jahren 3626km verloren gegangen, also weit über 50%. Ähnlich wie in vielen anderen Teilen Mitteleuropas verlor auch unser Bundesland im Verlaufe der letzten hundert Jahr ca. 2/3 seines Heckenbestandes!
In weiten Landesteilen lagen die Heckendichten daher Anfang der neunziger Jahre bei unter 250m pro 100ha Offenland. Und nur ganz wenige Räume (überwiegend in West Mecklenburg) besassen Heckenlängen von 1 bis über 2km pro 100ha Offenland. Trotz lokaler Bemühungen dürfte sich an dieser Situation landesweit in den vergangenen dreissig Jahre nicht viel geändert haben.
Vor allem in einem so waldarmen Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern fällt dies besonders stark ins Gewicht: mit einem Waldanteil von 24% liegt es im bundesweiten Vergleich auf dem zweitletzten Platz – und wird nur von Schleswig-Holstein mit 10% „übertroffen“.
Eine „Gehölzanreicherung“ unseres Landes, ob als Wald oder als Hecke oder Feldgehölz, muß daher Ziel einer zukunftsorientierten Landschaftsplanung sein.
Hecken stellen Forsten zuweilen ökologisch in den Schatten!
Bestehen Hecken aus zahlreichen unterschiedlichen heimischen (auch einigen alten durchgewachsenen!) Baum- und Straucharten und weisen sie zudem noch artenreiche Kräuter- und Grassäume auf – lassen Sie in ihrer ökologischen Wertigkeit viele „Wirtschaftswaldökosysteme“ hinter sich. Und je größer die Ackerschläge und je monotoner die Landschaften – umso notwendiger und umso bereichernder wirken sich Hecken aus!
Hecken dienten Zwecken!
Die Motivation Hecken anzulegen waren früher vielfältig: Sie dienten als Wehranlagen, Abgrenzung von Grundstücken, lebende Zäune für Vieh, zur Brenn- und Bauholzgewinnung und als Wind- und Bodenschutz. Viele Gehölze und Kräuter fanden Verwendung in Küche, Haus und Hof – von denen viele heutzutage weitgehend in Vergessenheit geraten sind!
„Die letzte Ernte hält der Wind“
Die beiden letzten Sommer mit ihrer extremen Dürre haben dafür gesorgt daß zahlreiche Böden extrem ausgetrocknet sind. Trockene Böden sind, besonders wenn sie hohe Feinsand- oder Schluffanteile haben, extrem gefährdet gegenüber Erosion. Wieviele tausend Tonnen wertvolle Ackerkrumme ausgetrocknete nordostdeutsche Böden in den beiden vergangenen Jahren durch Winderosion verloren haben kann nur grob geschätzt werden. Da Bodenverluste unwiderbringlich sind und mit ausgetrockneten Böden auch in den kommenden Jahren immer wieder zu rechnen ist – ist die Anlage von Hecken als „Windberuhiger“ auch ein schlichtes agrarwirtschaftliches Gebot der Stunde. Ohne Boden keine nachhaltige Landwirtschaft!
Hecken zum Nulltarif!
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es prinzipiell zwei Fördermöglichkeiten für die Neuanlage von Hecken. Einmal über die Landschaftspflegerichtlinie (Anträge über die jeweils räumlich zuständigen Landschaftspflegeverbände) oder über die Naturschutzförderrichtlinie.
Es bietet sich hierdurch die Möglichkeit die Neuanlage von Hecken bis zu 100% (!) fördern zu lassen. Hilfestellung bei Anträgen und Umsetzung bieten entweder die Landschaftspflegeverbände der Region oder die zuständigen Unteren Naturschutzbehörden bei den Landkreisen.
Wesentliche Voraussetzung für eine Förderung ist, daß sowohl der Landeigentümer als auch der aktuelle Pächter dem Vorhaben zustimmen. Die Förderungen beziehen sich auf alle notwendigen und kostenrelevanten Vorgänge wie bspw. Bodenvorbereitung, Pflanzenkauf, Pflanzung, Zaunbau, Freischneiden der Pflanzen im ersten Standjahr u.ä.
Der Auftrag muß von einem Unternehmer ausgeführt werden – an Privatleute werden keine Auszahlungen vorgenommen.
Auch „lineare Energieholzanlage“
Bei der Neuanlage von Hecken darf diese heute (wenn auch vielleicht nicht in erster Linie…) aber durchaus auch als „lineare Energieholzplantage“ betrachtet werden. Es können in die Hecke (falls das Gesamtvolumen ausreicht) auch einige schnellwachsende heimische Baumarten mit eingebracht werden wie bspw. die Birke. Werden Pflegeeingiffe in die Hecke nötig (was höchstens alle zehn-fünfzehn Jahre der Fall ist) sind zahlreiche Gehölze schon zu soliden „Brennholzdimensionen“ herangewachsen. Damit könnten dann auch gewiss Brennholzfreunde für die notwendigen Pflegeeinsätze gewonnen werden!
Zentrale Aufgabe der Landschaftsentwicklung
Riesige praktisch strukturfreie Schläge von manchmal 100ha und mehr ökologisch mit Hecken aufzuwerten gehört zu den zentralen Aufgaben in der freien Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Biodiversität, zum Klimaschutz, zur Ertragssicherrung in der Landwirtschaft und nicht zuletzt zur Landschaftsästhetik und unser aller Lebensqualität!
Burkhard Stöcker