Hilfe aus der Luft – Wildtierrettung bei der Mahd
Ein Thema, das Jägerschaft und Landwirte schon seit mehreren Jahrzehnten umtreibt
Es ist wieder einmal früh, sehr früh. Um 3 Uhr 30 klingelt der Wecker in Schildfeld. Heute wird es wieder sonnig und warm. Die Zeit und die Temperatur sitzen uns also im Nacken. Die ersten Gedanken des Tages. Doch fangen wir vorne an. Im Laufe der letzten Jahre konnten viele Berufskollegen und ehrenamtliche Helfer bereits etliche Rehkitze, Junghasen, Feldhühner und sogar Dam- und Rotkälber durch den Einsatz von Drohnen mit Wärmebildtechnik vor dem sicheren Mähtod bewahren. So ergab es sich, dass wir, die Stiftung Wald und Wild in Mecklenburg-Vorpommern, mit der Unterstützung der Familie Greve von der Milchhof Rodenwalde KG eine Drohne zur Jungwildrettung anschaffen konnten.
Dieser Beitrag soll eine Hilfe für die Zukunft sein und ein paar grundsätzliche Starthilfetipps zu geben.
Die Ausstattung
Wir verwenden das Modell Mavic 2 Zoom des Drohnenherstellers DJI in Kombination Wärmebildkamera mit der Flir Boson 640 30 Hz (Commerical Grade). Für welche Drohne man sich entscheidet, sollte auch durch die persönliche Empfindung der Haptik und Handhabung beeinflusst werden. Bei der Wärmebildkamera ist es allerdings unumgänglich, ein Modell mit der entsprechenden Größe (Auflösung 640 x512) zu wählen, damit es auch zu einem erfolgreichen Einsatz kommen kann. Die Vorteile liegen hier auf der Hand. Je größer die Kamera, desto größer die Fläche, die mit einem Überflug eingesehen werden kann. Wir können somit auf Höhen von über 70 Metern fliegen und Kitze und andere Wärmequellen sicher identifizieren. Bei einer Flughöhe von beispielsweise 70 Meter werden 2400 qm2 durch die Kamera überblickt. Somit erhöht sich auch automatisch die Anzahl der abgeflogenen Hektar. Die Flächenleistung an einem Morgen lässt sich nicht pauschalisieren, da Sie abhängig ist von Faktoren wie Flächenstruktur und Größe, Anzahl von gefundenem Jungwild, Standortwechsel und Helferzahl.
Die Vorbereitung
Wenn die Grundvoraussetzungen geschaffen worden sind, ist eine Informationsveranstaltung in der Region zur Aufklärung von Jagdpächtern und Jagdgenossen, bzw. Landwirten und Landbewirtschaftern zu empfehlen. Gerade im ersten Einsatzjahr kommt es sonst zu Abstimmungsschwierigkeiten und vermeidbaren Fehlern. Inhalte solch einer Veranstaltung sollten sein:
- Ablauf
- Ansprechpartner
- Finanzierung
- Wie weitim Voraus muss der Bewirtschafter informieren?
- Rechtliche Lage
- Unterstützungsmöglichkeiten
Sind diese ganzen Punkte geklärt, geht es an die direkte Vorbereitung vor dem eigentlichen Einsatz. Wichtig dabei ist, dass
- von dem Bewirtschafter die genauen Flächen bekannt gegeben werden, welche gemäht werden sollen, damit Karten bereits erstellt und heruntergeladen werden können
- für die Fläche genug Bodenpersonal (Läufer/Fänger) aktiviert werden
- genug Kisten/Boxen vorhanden sind für die zeitweilige Aufbewahrung der Kitze
- mit dem Bewirtschafter abgesprochen wird, wo man beginnt zu fliegen, damit die Fläche unmittelbar nach Ende des Fluges gemäht werden kann
- die Fläche auf Flugverbotszonen bzw. Einschränkungen geprüft wird, anliegend ein beigefügter Link mit einer guten Karte hierfür: https://map2fly.flynex.de
Der Einsatz
Empfehlenswert ist es, für den gesamten Zeitraum der Wildrettung (Mai-Juni) eine gemeinsame Messenger-Gruppe mit allen ehrenamtlichen Helfern zu erstellen. Dies steigert die Motivation und erleichtert die Kommunikation. Unabdinglich ist der Start mit dem ersten Tageslicht, da bei entsprechender Sonneneinstrahlung und dadurch der Erwärmung des Bodens und der Pflanzen wie z.B. Sauerampfer die Fehlerquote mit der Zeit steigt. In Bezug auf die Aufgabenverteilung aller Mitwirkenden, hat es sich herausgestellt, dass es neben den mit Funkgeräten ausgestatteten Rettungsläufern einen Koordinator geben sollte, der diese dirigiert. Hierfür eignet sich der Drohnenpilot oder eine zweite Person, die den Wärmebildmonitor kontrolliert, am besten. Es wird vor dem Start kurz angesagt wie die Fläche beflogen wird, danach verteilen sich die Rettungsteams am Rande der Fläche und warten auf Informationen vom Koordinator. Ist Jungwild gefunden worden, begeben sich diese, geleitet durch den Koordinator, zur Stelle und fangen das Jungwild ein. Hierbei sollte vom Suchenden jeweils ein Arm seitlich vom Körper ausgestreckt werden, damit er einfacher geleitet werden kann. Auf dem Monitor ist die Bewegungsrichtung des Menschen leider nicht immer deutlich zu erkennen. Dieser Hinweis erleichterte das Ganze bei unseren Einsätzen immens.
Verhalten am Wild
Als Präventionsmaßnahme sollten Einmalhandschuhe getragen werden und das gerettete Tier mit etwas Bewuchs aus der Umgebung in der Transportbox untergebracht werden. Diese sollten mit einem Deckel dicht verschlossen werden, damit Befreiungsversuche z.B. der Ricken außerhalb nicht erfolgreich sind.
Unmittelbar nach der Mahd werden die Kitze und das restliche Jungwild wieder am Rande der ehemaligen Einstände im Schatten abgelegt. Oftmals stehen Ricken oder Damalttiere schon in den angrenzenden Beständen und kommen unmittelbar nach Freilassung zurück zu ihren Kitzen. Was unbedingt ebenfalls noch beachtet werden sollte, ist, dass man mit größter Mühe versuchen sollte gerade Rehkitze einzufangen, da wir auch die Erfahrung machen mussten, dass Kitze, die vor den Rettern aufstehen und aus der Fläche fliehen, bereits kurze Zeit später wieder zurückkehren. Sie sind dann zwar schon groß genug, um vor einem Menschen zu fliehen, aber vor einer landwirtschaftlichen Erntemaschine drücken sie sich dann zumeist doch wieder im hohen Gras.
Nachbereitung des Einsatzes
Diese sollte auch genauso akribisch erfolgen, wie die Vorbereitung. Hierzu sind Fakten niederzuschreiben wie:
- was hat gut geklappt? Was muss verbessert werden?
- wie viele Kitze bzw. Jungwild sind gefunden worden?
- Geschlechterverhältnis bei den Schalenwildarten, gerade über die Jahre eine sehr spannende Beobachtung
- wie viele Hektar sind beflogen worden?
- wie war die Witterung?
Unsere eigenen Ergebnisse des ersten Projektjahres Wildtierrettung sind wie folgt:
- 100 Rehkitze
- 18 Damkälber
- 2 Rotkälber
- 1 Fasangesperre
- etliche Hasen
Dieses erfreuliche Resultat steht einem Arbeitsaufwand von 1700 ha intensiv abgeflogener Fläche, bei 18 morgendlichen Einsätzen, mit durchschnittlich fünf ehrenamtlichen Helfern und damit insgesamt ca. 30 Arbeitsstunden pro Morgen gegenüber.
Wir können, trotz dieser hohen benötigten Menpower, nur jedem dazu raten, sich in diesen Bereichen der Jungwildrettung einzusetzen und stark zu machen. Die Landwirte und Bewirtschafter sind von Gesetzes wegen bereits hierzu verpflichtet und unser Hegeauftrag verpflichtet uns, sie bei dieser gewaltigen Aufgabe zu unterstützen.
Gerade aktuell läuft noch die Förderung des BMEL zur Anschaffung von Drohen von Jungwildrettung. Stichtag ist hier der 01.09.2021 Wenn hierzu nähere Informationen benötigt werden, leiten wir gerne den Kontakt weiter. Zur Förderung:
https://www.ble.de/DE/Projektfoerderung/Foerderungen-Auftraege/Rehkitz/Rettung_node.html
Horrido und Waidmannsheil
RJM Hans-Kristian Sierk