Aktuelles
19.07.2021

Hilfe aus der Luft – Wildtier­rettung bei der Mahd

Ein Thema, das Jäger­schaft und Landwirte schon seit mehreren Jahrzehnten umtreibt

Es ist wieder einmal früh, sehr früh. Um 3 Uhr 30 klingelt der Wecker in Schildfeld. Heute wird es wieder sonnig und warm. Die Zeit und die Tempe­ratur sitzen uns also im Nacken. Die ersten Gedanken des Tages. Doch fangen wir vorne an. Im Laufe der letzten Jahre konnten viele Berufs­kol­legen und ehren­amt­liche Helfer bereits etliche Rehkitze, Junghasen, Feldhühner und sogar Dam- und Rotkälber durch den Einsatz von Drohnen mit Wärme­bild­technik vor dem sicheren Mähtod bewahren. So ergab es sich, dass wir, die Stiftung Wald und Wild in Mecklenburg-Vorpommern, mit der Unterstützung der Familie Greve von der Milchhof Roden­walde KG eine Drohne zur Jungwild­rettung anschaffen konnten. 

Dieser Beitrag soll eine Hilfe für die Zukunft sein und ein paar grund­sätz­liche Start­hil­fe­tipps zu geben.

Die Ausstattung

Wir verwenden das Modell Mavic 2 Zoom des Drohnen­her­stellers DJI in Kombi­nation Wärme­bild­kamera mit der Flir Boson 640 30 Hz (Comme­rical Grade). Für welche Drohne man sich entscheidet, sollte auch durch die persön­liche Empfindung der Haptik und Handhabung beein­flusst werden. Bei der Wärme­bild­kamera ist es aller­dings unumgänglich, ein Modell mit der entspre­chenden Größe (Auflösung 640 x512) zu wählen, damit es auch zu einem erfolg­reichen Einsatz kommen kann. Die Vorteile liegen hier auf der Hand. Je größer die Kamera, desto größer die Fläche, die mit einem Überflug einge­sehen werden kann. Wir können somit auf Höhen von über 70 Metern fliegen und Kitze und andere Wärme­quellen sicher identi­fi­zieren. Bei einer Flughöhe von beispiels­weise 70 Meter werden 2400 qm2 durch die Kamera überblickt. Somit erhöht sich auch automa­tisch die Anzahl der abgeflo­genen Hektar. Die Flächen­leistung an einem Morgen lässt sich nicht pauscha­li­sieren, da Sie abhängig ist von Faktoren wie Flächen­struktur und Größe, Anzahl von gefun­denem Jungwild, Stand­ort­wechsel und Helferzahl.

Das Ende eines erfolg­reichen Morgens bestimmt die Sonne und die Erwärmung von Erdblößen und größeren Pflanzen.

Die Vorbe­reitung

Wenn die Grund­vor­aus­set­zungen geschaffen worden sind, ist eine Infor­ma­ti­ons­ver­an­staltung in der Region zur Aufklärung von Jagdpächtern und Jagdge­nossen, bzw. Landwirten und Landbe­wirt­schaftern zu empfehlen. Gerade im ersten Einsatzjahr kommt es sonst zu Abstim­mungs­schwie­rig­keiten und vermeid­baren Fehlern. Inhalte solch einer Veran­staltung sollten sein:

  • Ablauf
  • Ansprech­partner
  • Finan­zierung
  • Wie weitim Voraus muss der Bewirt­schafter informieren?
  • Recht­liche Lage
  • Unterstützungsmöglichkeiten

Sind diese ganzen Punkte geklärt, geht es an die direkte Vorbe­reitung vor dem eigent­lichen Einsatz. Wichtig dabei ist, dass

  • von dem Bewirt­schafter die genauen Flächen bekannt gegeben werden, welche gemäht werden sollen, damit Karten bereits erstellt und herun­ter­ge­laden werden können
  • für die Fläche genug Boden­per­sonal (Läufer/Fänger) aktiviert werden
  • genug Kisten/Boxen vorhanden sind für die zeitweilige Aufbe­wahrung der Kitze
  • mit dem Bewirt­schafter abgesprochen wird, wo man beginnt zu fliegen, damit die Fläche unmit­telbar nach Ende des Fluges gemäht werden kann
  • die Fläche auf Flugver­bots­zonen bzw. Einschrän­kungen geprüft wird, anliegend ein beigefügter Link mit einer guten Karte hierfür: https://map2fly.flynex.de

Der Einsatz

Empfeh­lenswert ist es, für den gesamten Zeitraum der Wildrettung (Mai-Juni) eine gemeinsame Messenger-Gruppe mit allen ehren­amt­lichen Helfern zu erstellen. Dies steigert die Motivation und erleichtert die Kommu­ni­kation. Unabdinglich ist der Start mit dem ersten Tages­licht, da bei entspre­chender Sonnen­ein­strahlung und dadurch der Erwärmung des Bodens und der Pflanzen wie z.B. Sauer­ampfer die Fehler­quote mit der Zeit steigt. In Bezug auf die Aufga­ben­ver­teilung aller Mitwir­kenden, hat es sich heraus­ge­stellt, dass es neben den mit Funkge­räten ausge­stat­teten Rettungs­läufern einen Koordi­nator geben sollte, der diese dirigiert. Hierfür eignet sich der Drohnen­pilot oder eine zweite Person, die den Wärme­bild­mo­nitor kontrol­liert, am besten. Es wird vor dem Start kurz angesagt wie die Fläche beflogen wird, danach verteilen sich die Rettungs­teams am Rande der Fläche und warten auf Infor­ma­tionen vom Koordi­nator. Ist Jungwild gefunden worden, begeben sich diese, geleitet durch den Koordi­nator, zur Stelle und fangen das Jungwild ein. Hierbei sollte vom Suchenden jeweils ein Arm seitlich vom Körper ausge­streckt werden, damit er einfacher geleitet werden kann. Auf dem Monitor ist die Bewegungs­richtung des Menschen leider nicht immer deutlich zu erkennen. Dieser Hinweis erleich­terte das Ganze bei unseren Einsätzen immens.

Verhalten am Wild

Als Präven­ti­ons­maß­nahme sollten Einmal­hand­schuhe getragen werden und das gerettete Tier mit etwas Bewuchs aus der Umgebung in der Trans­portbox unter­ge­bracht werden. Diese sollten mit einem Deckel dicht verschlossen werden, damit Befrei­ungs­ver­suche z.B. der Ricken außerhalb nicht erfolg­reich sind.

Unmit­telbar nach der Mahd werden die Kitze und das restliche Jungwild wieder am Rande der ehema­ligen Einstände im Schatten abgelegt. Oftmals stehen Ricken oder Damalt­tiere schon in den angren­zenden Beständen und kommen unmit­telbar nach Freilassung zurück zu ihren Kitzen. Was unbedingt ebenfalls noch beachtet werden sollte, ist, dass man mit größter Mühe versuchen sollte gerade Rehkitze einzu­fangen, da wir auch die Erfahrung machen mussten, dass Kitze, die vor den Rettern aufstehen und aus der Fläche fliehen, bereits kurze Zeit später wieder zurückkehren. Sie sind dann zwar schon groß genug, um vor einem Menschen zu fliehen, aber vor einer landwirt­schaft­lichen Ernte­ma­schine drücken sie sich dann zumeist doch wieder im hohen Gras.

Zwillings­kitze können auch durchaus in eine Box gelegt werden.

Nachbe­reitung des Einsatzes

Diese sollte auch genauso akribisch erfolgen, wie die Vorbe­reitung. Hierzu sind Fakten nieder­zu­schreiben wie:

  • was hat gut geklappt? Was muss verbessert werden?
  • wie viele Kitze bzw. Jungwild sind gefunden worden?
  • Geschlech­ter­ver­hältnis bei den Schalen­wild­arten, gerade über die Jahre eine sehr spannende Beobachtung
  • wie viele Hektar sind beflogen worden?
  • wie war die Witterung?

Unsere eigenen Ergeb­nisse des ersten Projekt­jahres Wildtier­rettung sind wie folgt:

  • 100 Rehkitze
  • 18 Damkälber
  • 2 Rotkälber
  • 1 Fasan­ge­sperre
  • etliche Hasen

Dieses erfreu­liche Resultat steht einem Arbeits­aufwand von 1700 ha intensiv abgeflo­gener Fläche, bei 18 morgend­lichen Einsätzen, mit durch­schnittlich fünf ehren­amt­lichen Helfern und damit insgesamt ca. 30 Arbeits­stunden pro Morgen gegenüber.

Wir können, trotz dieser hohen benötigten Menpower, nur jedem dazu raten, sich in diesen Bereichen der Jungwild­rettung einzu­setzen und stark zu machen. Die Landwirte und Bewirt­schafter sind von Gesetzes wegen bereits hierzu verpflichtet und unser Hegeauftrag verpflichtet uns, sie bei dieser gewal­tigen Aufgabe zu unterstützen.

Antrags­seite des BMEL zur Drohnen­för­derung des BMEL

Gerade aktuell läuft noch die Förderung des BMEL zur Anschaffung von Drohen von Jungwild­rettung. Stichtag ist hier der 01.09.2021 Wenn hierzu nähere Infor­ma­tionen benötigt werden, leiten wir gerne den Kontakt weiter. Zur Förderung:
https://www.ble.de/DE/Projektfoerderung/Foerderungen-Auftraege/Rehkitz/Rettung_node.html

Horrido und Waidmannsheil
RJM Hans-Kristian Sierk

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