Jäger des Lichts – Jäger der Lichtungen
Jüngst fiel mir eine Broschüre des Landesbetrieb Forst Bayern in die Hände: „Waldjäger“ war der klangvolle Name. Dort wird in stimmungsvollen Bildern der aufopferungsvollen Tätigkeit der den Wald vor verbeißenden wilden Tieren rettenden Waid-Helden gedacht. Der Waldjäger ist dort der ehrenvolle Jäger, der Waldretter, der Försterjäger – der „echte Jäger“.
„Lichtungsjäger“ – Freizeitheinis?
Die dahinter verborgene Antithese disqualifiziert den Offenlandjäger schon mal per se als zweckfreien Hobbyisten. Der Jäger an und auf der Lichtung ist der lustvoll genießende Freizeitheini, der den waldweltrettenden Ernst des Jagens (noch!) nicht begriffen hat oder ihn gar (von lichtliebendem Hedonismus zutiefst beseelt…) ablehnt.
Das klingt sinnvoll und gut: Im Wald jagen und das Offenland den wilden Tieren „schenken“ (zumindest dem verbeißenden Schalenwild, mit den Sauen sieht das gewiss differenzierter aus) – und so gleichzeitig den Wald als Baumlebensraum retten und das oft naturschutzwertvolle Offenland durch das dann dort unbehelligt verbeißende Wild vor dem Zuwachsen durch eben diese Bäume. Wir sagen dem Wild dann auch über unsere Jagd: Wald pfui, Offenland hui. Schöne Idee und kommt der Evolution unserer zu bejagenden Großsäuger auch prinzipiell durchaus entgegen: Im Offenland wächst all das leckere Futter stets bodennah und nicht primär in den Baumkronen, wie im Wald. Und das bisschen was dann an Verjüngung am Waldboden keimt soll gefälligst in Ruhe gelassen werden und zu forstlich relevanten Nutzhölzern aufwachsen. So weit so gut.
Nicht nur das Wild auch wir sind – Offenlandjäger!
Nur kommt diese Idee des lichtungsscheuen und walddunklen Jagens der Evolution eines weiteren entscheidenden Großsäugers in diesem Spiel leider nicht entgegen, nämlich unserer: Auch wir sind Lichtungsjäger, auch wir sind Licht-jäger. Wir wollen prinzipiell nämlich (auch im Wald!) eher „an der Lichtung hocken“ und nicht „im tieftiefdunklen Tann“. Ich will „im Lichte sein“, also will ich meist auch im Licht jagen. Genauso wie ich möglichst nicht „unter Tage arbeiten“ will, will ich zumeist nicht „unter Tage jagen“!
Jagen in Licht und Zwielicht
Immer wieder ist es aber nicht nur das schlichte volle Licht, sondern zumeist sogar eher das besondere Licht, das mich hinauszieht: Licht in all seinen verschiedenen Schattierungen macht einen ganz großen Teil der Faszination meines Jagens aus.
Vom Dunkel des Waldes ins Licht der Savanne
Vielleicht ist es auch bei uns ein bisschen so, dass wir durch das Hinausgehen aus dem Dunkel des Waldes in das Licht des Offenlandes auch unsere menschliche Evolution „nachspielen“: Vom Herabsteigen aus den Baumkronen und dem Wald in die offenen Savanne – vom im Geäst turnenden Waldbewohner zum aufrecht gehenden Savannenmensch.
Bei jeder schlichten Waldwanderung durchleben wir es nahezu immer: Sobald wir eine Lichtung betreten oder den Rand des Waldes – wollen wir schauen, rasten, verweilen. Wir haben den dunklen, drückenden Wald hinter uns gelassen – und nun atmen wir tief durch und auf.
Immer wieder merken wir: Der Wald ist schön und beruhigend, aber unser Wohlfühlsein ist stets doch eher verbunden mit dem weiten Blick, dem offenen Horizont, dem „Land der offenen Fernen“ wie bspw. die wunderschöne eher waldarme Hohe Rhön so treffend genannt wird.
Wir sind Kinder, Menschen, Jäger des Lichts und ich möchte mir (Sachargumente hin oder her) auch zuweilen jenes „lichtvolle Jagen“ nicht und nimmer nehmen lassen.
Burkhard Stöcker