Aktuelles
06.09.2021

Jagen ist ja an und für sich ganz schön – aber nachher immer der „Ärger mit der Leiche“

Jagen ist wunderbar: Man ist draußen in der Natur, atmet ganz tief durch, genießt die Stille, hört den Vöglein zu – ein geradezu sich meditativ- kontem­pla­tives „Sich-Hinein-Summen in die Natur“.

Und dann kommt das begehrte Wild in Anblick und nach der wunder­samen Sekunde der Erlegung und den Minuten des darauf­fol­genden stillen Verharrens ist das meditativ-kontem­plative „In-Sich-Hinein­summen“ abrupt beendet. Den Zeige­finger im rechten Moment etwa 1,5 bis 3mm zu beugen ist ohne Zweifel ein Event und im besten Fall ein folgen­schweres Ereignis… – ob es dann in der Tat (oder eher: nach der Tat…) wirklich ein schweres Ereignis wird, entscheiden die Umstände der Erlegung plus das Gewicht des dann zu bergenden Wildes.

Das Aufbrechen …

Das Aufbrechen ist mit einem scharfen Messer auch bei schwerem Wild erst einmal noch kein „gewich­tiges“ Problem – wenn man am Ort der Erlegung aufbricht. Aller­dings: Nach dem Aufbrechen sehe ich häufig so aus als hätte ich jenen Vorgang zum aller­ersten Male „konkret an mir selbst geübt“: Von der Stirn bis zur Fußsohle finden sich zuweilen mehr als nur leise Indizien für die Tat und die gesamte Montur kommt in die 60° Wäsche…und ich danach in den meisten Fällen unter die 30° Dusche!

... Die Bergung …

Mit dem Fahrzeug dann direkt zwecks Bergung zum Erlegungsort? Erstens halte ich das in den meisten Fällen höchstens bei Kapital­hir­schen für wirklich notwendig. Zweitens und es wider­strebt mir schlicht ohne wirklich triftigen Grund einfach so übern Acker, durch die Wiese oder gar mitten durch den Wald zu fahren – irgendwo ist immer der nächste Weg und soviel Mühen sollte uns unser Wild doch Wert sein, dass wir es die paar Meter bis zum nächsten befahr­baren Weg schon noch zu ziehen vermögen. In der durch­ge­planten Groß-Logistik einer Drück- oder Bewegungsjagd mag das noch etwas anderes sein. Und seien wir einmal ganz ehrlich: Eine kernige Bergung über Stock und Stein gehört doch zu den urigsten Elementen unseres Jagens! Aller­dings muss hier auch konsta­tiert werden: die Bergung von über 50kg schweren Stücken für einen allein agierenden bedingt kondi­ti­ons­starken 50-jährigen Mittel­eu­ropäer über eine Strecke von über 50m ist körper­liche Arbeit!

Früher (als ich noch ein echter „weidlüs­terner Passions-Junkie“ war) hat mich der ganze „Apre Jagd-Aufriss“ nicht im Entfern­testen inter­es­siert – oder gar von der Tat abgehalten: Die Mühe der Bergung einer 90kg Bache, eines 100kg Alttieres oder jenes des Öfteren erlegten „Dreige­stirns“ aus zwei Kitzen und der Ricke – auch wurde schon einmal ein Muffel­widder rücklings aus dem Moor getragen – dies alles war nahezu luftig, leicht und unbeschwert in der Leiden­schaft junger Jagdjahre! 

…, dass „Damals“ …

Ich werde jetzt gewiss nicht so weit gehen und behaupten „was ich nicht alleine bergen kann schieße ich auch nicht tot“ – diesem Vorsatz wäre ich schon viel zu häufig untreu geworden. Aber mich am Bergen und Bringen meines eigenen Wildes nicht zu betei­ligen wäre eher ein Unding, obwohl auch dies (aus fotogra­fi­schen Gründen) gelegentlich schon statt­ge­funden hat. 

… “ins“ und „mit“ dem Fahrzeug …

Die Beute ist dann jedoch (nach dem Geschleppe, Geschleife und Geziehe) noch nicht im Fahrzeug und die „kinder­leicht zu bauende Koffer­raum­rampe für die Wildbringung“ aus der Rubrik „50 Euro-Topp-Weidmanns-Tipps“ der Jagdzeitung habe ich natürlich auch noch längst nicht fertig, respektive: Überhaupt angedacht…

Dann die holprige beute­be­ladene Fahrt zur Wildkammer mit dem auch nur noch halbhoch aufge­bockten Uralt-Fahrzeug – und ich denke abwech­selnd an Stoßdämpfer, Fahrge­stell, Radauf­hängung, Querlenker usw. und den nächsten TÜV-Termin.

… der Wildkammerschlüssel …

Habe ich eigentlich den Wildkam­mer­schlüssel dabei? Wie häufig stand ich schon beute­be­laden, hungrig und todmüde davor und merkte, dass der Schlüssel wohl irgendwo zu Hause einer im wesent­lichen zweck­freien Tätigkeit nachging. Energie für den dann spontan statt­finden unweid­män­ni­schen-Weid-Wutaus­bruch war meistens noch ausrei­chend vorhanden. Natürlich war ich ausschließlich selbst Schuld: Mangelnde Logistik – natürlich ist der Wildkam­mer­schlüssel bei jedem anstän­digen Jäger auch „immer am Weidmann“.

… die Weiterverarbeitung …

Ist die Truhe eigentlich voll? Bestimmt ist sie schon wieder ausrei­chend leer und nun erwarten Familie, Freunde, Bekannte, Nachbarn und Verwandte natürlich das nun auf die „böse Tat“ auf den Fuß gleich die „gute Verwendung“ folge – und nicht die schnöde Delegierung zum Wildhändler! Natürlich haben sie alle Recht und sie und das Wild haben ein Recht auf eine solide und angemessen verant­wor­tungs­volle Verwertung – wozu jage ich schließlich…? Genau, im Wesent­lichen deshalb, weil ich Freude daran habe in der Natur und aus der Natur (ganz natürlich!) meinen Hunger zu stillen. 

… Äußer­lich­keiten ...

Und so flanieren so vor fast jedem Schuss nun heutzutage jene Bilder an mir vorüber: Aufbrechen, Bergen, Bringen, Sauber­machen, Aufhängen, Klamotten reinigen, Wild in Wildkamer bringen/aus Wildkammer holen, Tiefkühl­truhe frei räumen, Gefrier­beutel sortieren und vorbe­schriften, Messer schärfen, Wild aus der Decke schlagen, sauber zerteilen, entbeinen etc.

und Innerlichkeiten

Zusätzlich scheinen mir heute vor allem die Augen der Rehe noch viel dunkler und seelen­voller als noch in meinen jungen Jahren, ihre Bewegungen anmutiger und lebens­froher – die Wildtiere da draußen werden alle „immer schöner“: Die Hirsche erhabener, die Sauen ritter­licher, die Rehe niedlicher und so weiter und so weiter.

Und so summieren sich beide Gedan­ken­stränge häufig zu einem einzigen harmo­ni­schen Gebilde, dass da sagt: „Och, nö muss ja heute jetzt auch nicht so dringend.“ 

Und so hat dann auch die Kugel oft gar keine Eile und bleibt erst einmal beschaulich dort, wo sie ist und danach wandert sie noch beschau­licher wieder zurück ins lederne Etui, auch dort hat sie es ja mollig, warm und fühlt sich wohl – so wie die Wildtiere sich auch weiterhin wohl fühlen, die ich heute wieder einmal mit meinem „Beute-Begehren“ verschont habe.

Wenn auch der Weg zum passi­ons­freien Nicht­jäger gewiss noch steinig und schwer wird (: muss ich doch zugeben, dass jene Gedanken mich immer mal wieder, mehr oder minder häufig, beschleichen.

Nun bin ich offenbar doch in dem Alter, in dem ich über die „Vorrechte der Jugend“ und die „Gelas­senheit des Alters“ zu sinnieren beginne.

„Wie jede Blüte welkt

und jede Jugend, dem Alter weicht 

blüht jede Lebensstufe…“

Hermann Hesse

Burkhard Stöcker

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