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29.05.2020

Vogel­beere, Eberesche – Wunderbaum!

Es gibt kaum größere heimische Wildtiere, die nicht in der ein oder anderen Form von der Vogel­beere profi­tieren. Burkhard Stöcker von der Stiftung „Wald & Wild in Mecklenburg-Vorpommern“ zeigt auf, wie die Eberesche jedes Revier berei­chern kann.

Foto: Burkhard Stöcker
Vogel­beeren gehören zu den belieb­testen Äsungs­pflanzen für unser Schalenwild – hier laben sich Alttier und ein Kalb.

Wir Jäger wollen ständig, wenn nicht gleich die Welt, so doch unser Revier verbessern und sind ständig auf der Suche nach den „Highlights“ fürs Wild: Wo lässt sich noch eine Hecke anpflanzen, wo ein Hegebusch, wo ein Klein­ge­wässer anlegen und welche Möglich­keiten haben wir im Sinne unserer Wildtiere positiv auf Forst- und Landbau einzuwirken?

Viele der anvisierten Ideen und Rezepte sind nicht finan­zierbar und enden somit in der Sackgasse. Heute möchten wir Ihnen eine Pflan­zenart vorstellen, die zur heimi­schen Flora gehört, kinder­leicht handhabbar und vermehrbar ist und vor allem: der Renner für Wild und Vögel: die Gemeine Vogel­beere (Sorbus aucuparia), auch als Eberesche bekannt, da man früher glaubte sie wäre das männliche Pendant zur Gemeinen Esche (Fraxinus excelsior) – beide tragen sehr ähnliche Blätter. 

Die Vogel­beere gehört zu den sogenannten Weich­hölzern. Dieser Begriff bezieht sich auf eine sehr unspe­zi­fische Gruppe von Bäumen und Sträu­chern, die im Schnitt nur zwei Dinge gemeinsam haben: ein weiches Holz und ein wirtschaft­liches Schat­ten­dasein (außer die Pappel!). Zu den Weich­hölzern gehören neben der Vogel­beere die Arten der Gattung Salix (Weiden), der Gattung Populus (Pappeln), der Gattung Sambucus (Holunder) und der Birken (Betula).

In früheren forst­lichen Jahrzehnten wurden diese Arten im Wald geradezu militant bekämpft, da man eine Konkurrenz mit den „Brotbaum­arten“ fürchtete – eine Konkurrenz, die aber aus heutiger Sicht nie ernsthaft bestanden hat.

Im heutigen natur­nahen Waldbau werden sie sehr wohlwollend betrachtet, da sie zahlreiche Vorteile für den Wald haben: u. a. dienen sie als „Ablenk­füt­terung“ oder „Blitz­ab­leiter“ fürs Wild und tragen zur Verbes­serung des Bodens und des Bestan­des­klimas bei. Diese Erkenntnis ist aller­dings keines­falls neu. Auch der alte Friedrich von Gagern schrieb in „Birschen und Böcke“: „Die Sorben (Sorbus aucuparia und andere Sorbus-Arten) spenden außer Stock­trieben auch noch die vom Wilde für Lecker­bissen gehal­tenen Beeren. Überhaupt: Stock­aus­triebe, Wurzelbrut, Weich­hölzer, Brombeeren – das macht alles Füttern entbehrlich.“

V. Gagern fährt mit einem Zitat des alten Forst­mannes Dr. G. Rörig fort: „So wenig es nun richtig wäre, ihnen (den Weich­hölzern) eine dominie­rende Stellung im Bestande einzu­räumen, so falsch ist es auch, sie ganz daraus verbannen zu wollen, denn wenn wir einmal unserem Wilde Heimats­be­rech­tigung im deutschen Walde zuerkennen, haben wir auch die Pflicht, die forstlich wirtschaft­lichen Maßnahmen zu treffen, welche, ohne den Wald besonders zu schädigen, geeignet erscheinen, ihn dem Wilde als Aufent­haltsort lieb zu machen.“ 

Bedeutung für Säuge­tiere und vor allem unser Wild

Es gibt kaum größere heimische Wildtiere, die nicht in der ein oder anderen Form von der Vogel­beere profitieren:

Von unseren Mardern ist bekannt, dass sie die Beeren gelegentlich nicht verschmähen und auch die heimi­schen Bilche (Sieben­schläfer, Garten­schläfer, Haselmaus, Baumschläfer) fressen diese ausge­sprochen gerne. Auch Eichhörnchen gehören zu den ausge­spro­chenen Verehrern der Vogelbeere.

Für unser heimi­sches Schalenwild bieten alle Teile der Vogel­beere eine willkommene, ja geradezu begierig aufge­nommene Nahrung. Von den Knospen über die Rinde bis hin zu Blüten, Blättern und Beeren steht die Vogel­beere ganz oben auf dem Speiseplan des Wildes. In zahlreichen Unter­su­chungen zum Verbiss von Pflan­zen­arten durch Schalenwild nimmt die Vogel­beere stets eine der führenden Positionen ein.

Schon KLÖTZLI stellt in seiner wegwei­senden Arbeit über Rehwild in der Schweiz fest, dass die Vogel­beere überall sehr stark verbissen wird. Für Rotwild konnten auch zahlreiche andere Autoren (u. a. PETRAK, KRAUS) ebenfalls starken Verbiss feststellen: Bei zweiund­zwanzig verbis­senen Holzge­wächsen in der Kraut­schicht gehörte die Vogel­beere zur Gruppe der fünf belieb­testen Gehölze, obwohl sie die dritt­häu­figste Art war (im Durch­schnitt werden häufige Arten deutlich weniger verbissen!).

In den Unter­su­chungen von PETRAK in einem deutschen Mittel­ge­birge wurden nur deutlich seltenere Arten stärker verbissen – das spricht für die außer­or­dent­liche Attrak­ti­vität der Vogel­beere. BRIEDERMANN stellte in seinen Unter­su­chungen im Erzge­birge sowohl im Jahr 1965 als auch im Jahr 1984 extrem starken Verbiss und hohe Schälin­ten­sität durch Rotwild fest. Die Vogel­beere wurde deutlich häufiger geschält als so attraktive „Schäl­baum­arten“ wie die Tanne oder die Fichte. Während eines Testlaufes für eine Waldin­ventur in Norddeutschland wurde auch der Leittrieb­verbiss an zahlreichen Baumarten unter­sucht: An Vogel­beere war er doppelt so hoch wie bei allen anderen Gehölzarten! 

Bedeutung für Vögel

„Nomen est Omen“ – der Name spricht Bände: Kein heimi­scher Baum oder Strauch, der von so vielen Vogel­arten als Nahrung genutzt wird wie die Vogel­beere. Allein ca. siebzig heimische Vogel­arten laben sich an den roten Beeren und kaum ein heimi­scher „Aller­welts­vogel“, von Buchfink über Star bis hin zum Eichel­häher, lässt sich bei Vogel­beeren lumpen.

Im Norden und Nordosten Europas wird sogar der gesamte winter­liche Lebens­rhythmus einer Vogelart von der Beere bestimmt: die hübschen Seiden­schwänze ernähren sich im Winter haupt­sächlich von den Beeren der Eberesche. Fällt die Ernte aus Witte­rungs­gründen in Nordeuropa einmal mager aus, weichen die Vögel in südliche Gefilde aus und sind dann auch in Mittel­europa in invasi­ons­ar­tigen Schwärmen zu beobachten. Wenige Ebereschen­beeren im nordi­schen Winter bedeuten viele Seiden­schwänze im gemäßigt winter­lichen Mitteleuropa!

Der Baum heißt also Vogel­beere, weil er bei den Gefie­derten so beliebt ist, nicht weil er die Vögel etwa zum Überleben bräuchte, wie viele immer noch glauben: man hört häufiger die Meinung, dass die Samen in den Beeren erst zu keimen vermögen, wenn sie den Darm eines Vogels passiert haben – so das klassische Ammen­märchen. Tatsache ist jedoch, dass der Samen nach der Darmpassage durch den anhaf­tenden Kot einen Nährstoff­vorrat mit auf den Weg bekommt, quasi ein „Start­paket“, dass das Keimen sicherlich enorm erleichtert.

So profi­tiert der Vogel von der Verwertung der Beeren und der Baum von der Nährstoff­an­rei­cherung und „Weiter­leitung“ seiner Samen. Dieser Effekt tritt auch ein, wenn Schalenwild die Beeren aufnimmt – auch hier werden mit dem Kot wieder poten­zielle „Verjün­gungen abgesetzt“.

Im Umkreis beeren­tra­gender Bäume kann es somit durch Schalenwild und Vögel zu einem enormen Anstieg der Vogel­bee­ren­ver­jüngung kommen – wenn nicht ein zu inten­siver Wildverbiss oder extreme Beschattung dieser Entwicklung Einhalt gebietet.

Foto: Burkhard Stöcker
So üppig kann Vogel­bee­ren­ver­jüngung auflaufen – wenn es aus dieser Gruppe einem Baum gelingt aus dem Äser zu wachsen und zu frukti­fi­zieren, ist für dauer­haften Nachschub gesorgt.

Rasch­wüchsig, kaum Ansprüche an den Boden

Vogel­beeren wachsen ausge­sprochen schnell und können dem Äser des Schalen­wildes somit rasch entwachsen. Sie bedürfen also nur für kurze Zeit der „zäunenden oder jagdlich schüt­zenden Hand“. Mit 5–6 Jahren frukti­fi­zieren sie bereits und tragen ab diesem Zeitpunkt in der Regel jährlich reichlich Beeren. Die Vogel­beere besitzt eine ungeheure Varia­ti­ons­breite hinsichtlich ihrer Stand­ort­an­sprüche und gedeiht auf praktisch allen Böden. Zum üppigen Wuchs benötigt sie aller­dings möglichst Licht und Feuch­tigkeit. Sie erträgt aber auch sehr schattige Standorte und trotzt längeren Trocken­pe­rioden, ja wächst selbst auf ausge­sprochen steinigen Böden. 

Laub leicht zersetzbar – Humusbildend!

Die Vogel­beere ist das was der Forstmann als „ausge­sprochen boden­pfleglich“ bezeichnet. Besonders auf armen Böden, in Kiefern­heiden und auf steinigen Böden ist sie häufig der einzige attraktive Laubbaum – Birke ist bei allen Schalen­wild­arten als auch beim Hasen relativ unbeliebt und gilt als sogenannte Notäsung.

Durch ihre leicht zersetzbare Streu leistet die Vogel­beere einen Beitrag zur raschen Wieder­ver­füg­barkeit der Nährstoffe im Boden – so verbessern Vogel­beeren auf Dauer vor allem arme Standorte. Fast überall wurde sie in den durch das sogenannte „Waldsterben“ degra­dierten Kammlagen der Mittel­ge­birge als Vorwald und Humus­bildner eingesetzt.

Die Vogel­bee­ren­blätter haben im Vergleich zu Fichten­nadeln, aber auch im Vergleich zu Buchen­blättern einen wesentlich höheren Magnesium- und Kalzi­um­anteil. Darüber hinaus weisen die Früchte einen hohen Kalium­gehalt auf – Stand­ort­ver­bes­serung gratis. Zahlreiche dieser Anpflan­zungen aus den achtziger Jahren sind heute zu beein­dru­ckenden Vogel­bee­ren­wäldern herangewachsen. 

Foto: Burkhard Stöcker
Vom Frühsommer bis zum Herbst sind Vogel­beeren im Revier stets eine Augenweide.

Die pure Ästhetik

Im Frühsommer trägt die Vogel­beere zu den filigranen Blättern sehr schöne, blass­weiße Blüten­dolden, aus denen im Spätsommer die orange­far­benen bis knall­roten Früchte reifen. Im Herbst kommt häufig zu den noch vorhan­denen Früchten das rote Blätter­kleid hinzu, so dass die Vogel­beere fast das ganze Jahr auch fürs Auge im Revier viel hergibt. 

Vermehrung (Anpflanzung, Beeren­meische, Brennesseljauche)

Die effek­tivste Vermeh­rung­stra­tegie im heimi­schen Revier ist die Anpflanzung (...und der möglichst gleich­zeitige Schutz!) von Einzelbäumen.

Die Anpflanzung lohnt sich überall, wo es halbwegs lichte Stellen im Revier gibt: Entlang von Wegen und Schneisen, an Feld- und Waldrändern, an Wiesen, Holzla­ger­plätzen, Wildä­ckern. Überall wo ein wenig Licht und Platz ist, macht sich eine Vogel­beere ausgezeichnet.

Wer es noch einfacher (aber auch nicht so erfolg­ver­spre­chend!) mag, der sammle im Herbst Vogel­beeren und bringe sie im Revier überall da aus, wo halbwegs lichte Stellen sind. Am besten man hängt sie irgendwo über Äserhöhe in die Bäume. Die Verteilung und Ausbreitung besorgen dann die „gefie­derten Freunde“. Effektiv ist jedoch auch folgende Methode: man sammelt die Beeren und dreht sie durch Großmutters Fleischwolf. Der so entstandene Brei wird möglichst großflächig in lichten Hecken, an Wald oder Wiesen­rändern oder in lichten Waldbe­ständen aufge­tragen – dort wo man halt gerne Ebereschen haben will. Hier kann man übrigens auch mehrere Beeren­sorten mixen (Holunder, Weißdorn, Schlehe, Hagebutte...) und dann ausbringen. Die Keimpro­zente sind z. T. ganz hervorragend!

Eine weitere Variante ist das Ansetzen von Brennes­sel­jauche mit Vogel­beeren: die Jauche hat nach ca. 14 Tagen die Frucht­hüllen so weit zersetzt, dass die keimfä­higen Samen freiliegen – ein Prozess, den sonst der Vogel- oder Schalen­wilddarm erledigt!

Wundern Sie sich jedoch bitte nicht, wenn nach wenigen Jahren aus ihrem Revier noch kein Äsungs- und Deckungs­dschungel entstanden ist. Die Keimlinge sind fürs Wild so attraktiv, dass sie ohne Schutz rigoros verbissen werden. Schützt man also diese Flächen nicht durch einen Zaun, ist hier ggf. in den ersten Jahren mit einer Schwer­punkt­be­jagung der jungen Vogel­beer­enge­neration ein wenig unter die Arme zu greifen.

Dort, wo sich im Wald reichlich Vogel­beeren befinden, werden sie weder vergeblich auf den Bock, noch aufs Rotwild warten.

Mit jeder früch­te­tra­genden, vor Verbiss geschützten Vogel­beere, erzielen sie einen „Schnee­ball­effekt“ und lassen je nach Beeren­ansatz jedes Jahr hunderte bis tausende von Vogel­beeren durch die gefie­derten und befellten Helfer verteilen. Haben sie mehrere solcher beeren­tra­genden Mutter­bäume im Revier, ist die regel­mäßige Anwesenheit von Vogel­bee­ren­ver­jüngung und damit dauer­hafter Nachschub an Schalen­wild­äsung gewährleistet.

Es gibt kaum eine simplere Methode, um Wälder oder arme Standorte ohne viel Aufwand aufzu­werten als durch die Förderung der Vogel­beere – sie sollten in diesem Sinne weder Frühjahr noch Herbst ungenutzt verstreichen lassen!

Burkhard Stöcker

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