Aktuelles
24.11.2021

Von Nützlingen und Schäd­lingen, Nutzwild und Schadwild… und unseren wohlge­pflegten „Schad-Bildern“

Auch wir Jägers­leute teilen, so wie alle anderen Menschen auch unsere jagerische Welt in nützliche und schäd­liche Tiere. 

Dabei findet jedoch der Terminus des „Schad-Wildes“ bei einzelnen Jäger­gruppen eine völlig unter­schied­liche Verwendung, je nachdem welchem „Lager“ und/oder welcher „Gesinnung“ man so angehört. 

Schalenwild-Typ versus Raubwild-Typ

Beide Gruppen stehen in unseren Revieren stell­ver­tretend für die zwei wesent­lichen „Wild-Management-Ansätze“: Die „Schalenwild-Bekämp­fungs- und Raubwild-Hätschel-Reviere“ auf der einen und die „Schalenwild-Hätschel und Raubwild-Bekämp­fungs-Reviere“ auf der anderen Seite. Häufig stehen beide Lager sich auch eher unver­söhnlich gegenüber. 

Der Schalenwild-Bekämpfer moderner Prägung pflegt Schalenwild heute eher als Schad-Wild zu behandeln und nur im totem Zustand ist das Ziel unver­bis­sener und ungeschälter („ökolo­gisch intakter“!) Wälder zu erreichen. Der Schalenwild-Bekämpfer vergisst über der „entfes­selten Tilgerei des Schalen­wildes“ zuweilen, dass die Vitalität des Waldes auch von ganz anderen Faktoren abhängt als der militanten Bekämpfung des Schalen­wildes. Eine intensive Jagd des Raubwildes wird mit dem Hinweis auf deren „ökolo­gische Rolle“ meist strikt abgelehnt

Der Raubwild-Bekämpfer pflegt sämtliches Raubwild eher als Schad-Wild zu behandeln und nur in totem Zustand ist das Ziel unbehel­ligter und vitaler („ökolo­gisch intakter“) Nieder­wild­be­stände zu erreichen. Der Raubwild-Schad-Bekämpfer vergisst über der „entfes­selten Tilgerei des Raubwildes“ zuweilen, dass die Vitalität der Nieder­wild­be­stände auch zumeist von ganz anderen Faktoren abhängen als der militanten Bekämpfung des Raubwildes. Eine intensive Jagd des Schalen­wildes wird mit dem Hinweis auf deren „kultu­relle Rolle“ meist strikt abgelehnt.

Der Blick auf die jeweilige Materie hat in den seltensten Fällen mit ökolo­gisch fundiertem Knowhow oder einer wirklich diffe­ren­zierten Betrachtung zu tun. Zuweilen beschleicht einen das Gefühl, dass es in den meisten Fällen schlicht die „spezi­fische Revier­prägung verbunden mit dem tradi­tionell-prägenden Umfeld“ sind, die hier den Ausschlag in die eine oder andere Richtung geben. Derjenige, der ins „Schalenwild-Bekämpfer-Milieu“ hinein­ge­boren wurde, pflegt unbescholten und unver­blümt jene Weltan­schauung. Genau wie der Kollege aus dem „Raubwild-Bekämpfer-Milieu“ dies ebenso tut – der Apfel fällt halt nicht weit vom Stamm und häufig kann man nun einmal seine jagdlich-prägende Herkunft kaum leugnen. 

Die Proble­matik des jewei­ligen Schad-Getiers scheint mir jedoch zuweilen deutlich geringer als das Potential wechsel­sei­tigen Betrachtens und Lernens zwischen diesen beiden Gesinnungsgruppen.

Und ein möglicher erster Schritt zur Überschreitung jener „Milieu-Grenze“ ist die Neugier auf die Sicht des anderen und dann das Schlüpfen in die Rolle des Gegen­übers. Hier käme uns das alte histo­rische Gerichts­ritual zur Hilfe: Die sich strei­tenden Parteien reichen sich die Hand und sind dazu verpflichtet in der anschlie­ßenden Verhandlung die Position der Gegen­seite zu vertreten – der mehr oder minder sanfte Zwang zum radikalen Perspektivenwechsel!

Der Schalenwild-Bekämpfer sollte, genauso wie der Raubwild-Bekämpfer sich zuweilen mal an den eigenen „Äser“ respektive „Fang“ fassen und über den eigenen Tellerrand hinaus­schauen. Beide würden sie dann vielleicht feststellen, dass das jeweilige „generelle Totschießen möglichst vieler Schad-Tiere“ eher die platte Holzham­mer­me­thode ist und in den seltensten Fällen einer diffe­ren­zierten Betrachtung standhält.

Natürlich kann es bei notwen­digem Waldumbau geboten sein Schalenwild einmal intensiv zu jagen, oder an Vogel­ko­lonien oder in Feuch­wie­sen­brü­ter­le­bens­räumen dem Raubwild intensiv nachzu­stellen – je nach Situation, Umständen und spezi­fi­schen lokalen Zielen.

Aber im „Otto Normal Wald“ ist weder die rigorose Schalen­wild­be­kämpfung geboten noch in der „Otto Normal Feldflur“ die drastische Raubwildbekämpfung. 

Wenn beide Schad-Tiergruppen von ihren jewei­ligen Jäger-Gruppen geradezu militant bekämpft werden – sagt dies häufig mehr über die Bekämpfer aus als über die faktische Notwen­digkeit jener Bekämpfung.

Feind­bilder zu haben und zu pflegen ist wohl menschlich – sie gegenüber freile­benden Tieren abzubauen gelegentlich aber wohl auch hilfreich.

Burkhard Stöcker

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