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11.04.2022

Wildkatze und Luchs in MV – Rückkehr auf leisen Pfoten?

Wildkatze

Seit vielen Jahren schon erweitert die Wildkatze, ausgehend von einigen Mittel­ge­birgs­re­gionen (Eifel, Westerwald, Thüringer Wald, Harz) ihr Verbrei­tungs­gebiet. Leise und unmerklich erobert sie neue Regionen. Aus den letzten Jahren gibt es auch im direkten Umfeld von Mecklenburg-Vorpommern Nachweise: Aus dem Wendland im nordöst­lichen Nieder­sachsen oder aus der Schorf­heide im nördlichen Brandenburg. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass die Wildkatze auch Mecklenburg- Vorpommern bald erreichen wird – oder schon erreicht hat. 

Der primäre Lebensraum der Wildkatze sind Laubmisch­wälder mit einem großen Struk­tur­reichtum. Dazu gehören bspw. ein hoher Totholz­anteil, natür­liche Baumhöhlen, kleinen Waldblößen, gestufte Waldränder etc. Wildkatzen streichen aber zur Nahrungs­suche auch gerne in struk­tur­reiche Halbof­fen­land­schaften die sich durch eine Gemengelage aus Hecken, Feldge­hölzen, Brachen und landwirt­schaft­lichen Nutzflächen auszeichnen. 

In der „guten alten Jäger-Zeit“ wurden der Wildkatze alle möglichen Beute­tiere angelastet – bis hin zum „mörde­ri­schen Nieder­reißen“ von Rotwild. Inzwi­schen wissen wir, dass ihre Beute im Wald zum größten Teil aus den klassi­schen Waldmäu­se­arten und im Offenland aus Wühl- und Feldmäusen besteht. Zuweilen werden aber auch Großin­sekten, Reptilien, Vögel oder auch einmal ein Junghase erbeutet. Schalenwild gehört in keinster Weise zur Beute der Wildkatze! 

Als terri­torial lebende Einzel­gänger haben Wildkatzen (in Relation zur ihrer Größe!) geradezu riesige Streif­ge­biete: 1500–3000ha für den Kuder und 200–800ha für die Kätzin – das sind Streif­ge­biets­größen, die auch auf unser Rotwild häufig zutreffen. 

Luchs

Luchs­nach­weise aus Brandenburg und ein Luchs­aus­wil­de­rungs­projekt im polni­schen Westpommern lassen auch Luchs­nach­weise für Mecklenburg immer wahrschein­licher werden. Und inzwi­schen gibt es auch schon verein­zelte Nachweise: 2015 aus der Uecker­münder Heide und 2021 aus dem Raum Rostock.

Die Ausbrei­tungs­ten­denzen von Luchs­po­pu­la­tionen sind jedoch erfah­rungs­gemäß deutlich geringer als die von Wölfen und die bishe­rigen Besied­lungs­ge­schwin­dig­keiten lassen kaum Prognosen für die kommenden Jahre zu. Es wird (wenn überhaupt…?) wahrscheinlich eine eher schlep­pende und langsame Besiedlung werden.

Luchse sind im Mittel­europa recht eng an den Lebensraum Wald gebunden. Sie haben aber keine sonderlich spezi­fi­schen Ansprüche an eine bestimmte Waldstruktur. Luchse sind aller­dings Deckungs- und Schleich­jäger, die sehr nahe an ihre Beute­tiere heran­müssen, um erfolg­reich zu jagen. Struk­tur­reiche Waldbe­stände in denen Verjün­gungen, überein­ander gefallene Baumstämme, Wurzelteller etc. vorhanden sind verbessern die Jagdmög­lich­keiten daher enorm.

Struk­tur­reichtum kann aber auch bei der „Luchs-Unter­kunft“ eine bedeu­tende Rolle spielen: Eine Luchsin im Urwald von Bialowieza brachte ihre Jungen in einer gefal­lenen, hohlen, alten Linde zur Welt. Auch beim Luchs zeigt sich (wie schon bei der Wildkatze!) die enorme Bedeutung von struk­tur­reichen Altwäldern für die Besiedlung durch unsere Wildkatzenarten. 

Der Luchs ist zwar ein primärer Rehjäger aber stärkere Beute kann durchaus überwältigt werden. Im Alpenraum werden regel­mäßig Gämsen erbeutet und auch Mufflons und Damhirsche stehen poten­tiell auf der Speise­karte. In zahlreichen osteu­ro­päi­schen Verbrei­tungs­ge­bieten wird aber auch gelegentlich Rotwild erbeutet – wenn auch deutlich seltener als die kleineren Hirsch­arten. In Skandi­navien reicht das Beute­tier­spektrum aber sogar bis hin zu Rentieren und Elchkälbern.

Die Streif­ge­biets­größen europäi­scher Luchse liegen im mittel­eu­ro­päi­schen Flachland für die Weibchen bei über 10000 und bei den Männchen bei über 20000ha. Rechnen wir für jeden Luchs mit durch­schnittlich 50 Rehen pro Jahr können wir den poten­zi­ellen Einfluss dieses Großräubers auf unseren heimi­schen Schalen­wild­be­stände mit gutem Gewissen vernachlässigen.

Beides unauf­fällige „Großräuber“

Wildkatze und Luchs sind in der Landschaft wesentlich unauf­fäl­liger als der in Rudeln lebende Wolf. Die Wildkatze als fast ausschließ­licher Klein­säu­ger­räuber und der Luchs als primärer Rehjäger werden bspw. mit der „Landes­kultur-Weidetier“ kaum in Konflikt treten. Die Wildkatze bemerkt man praktisch gar nicht und der Luchs macht sich fast nur durch Rehrisse und die deutlich erhöhte Scheu von Rehen bemerkbar. Beide Arten sind selbst dort, wo sie regel­mäßig und häufig vorkommen, faktisch unsichtbar.

Nutztier­risse, die durch Wölfe an verschie­densten Haustieren im Verbrei­tungs­gebiet regel­mäßig vorkommen können – sind weder bei der Wildkatze noch beim Luchs zu erwarten. 

Beide Arten sind (anders als der Wolf!) ausge­sprochen waldge­bundene Tiere und werden sich in unserem eher waldarmen Bundesland vermutlich nur in größeren geschlos­senen Waldge­bieten ansiedeln (Uecker­münder Heide, Seenplatte, Nossen­tiner Heide o.ä.). 

Burkhard Stöcker

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